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Dr. med. Christian Gersch – Fokus auf Funktionelle Medizin

Bei welchen Erkrankungen ist eine lektinfreie Ernährung sinnvoll?

Bei welchen Erkrankungen ist eine lektinfreie Ernährung sinnvoll?

Dr. Gersch Veröffentlicht Mittwoch, 27.09.2023 von Dr. med. Christian Gersch
Dr. Gersch ist niedergelassener Arzt in Kaiserslautern
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Eine lektinfreie Ernährung wird oft als potenziell nützlich bei bestimmten Erkrankungen betrachtet. Obwohl es wichtig ist zu betonen, dass die wissenschaftliche Unterstützung für die Wirksamkeit dieser Ernährungsform begrenzt ist, gibt es nicht nur gute Grundlagenforschung zu dem Thema, sondern auch erste Interventionsstudien. Wir arbeiten in unserer Praxis seit einem halben Jahrzehnt mit lektinfreier Ernährung und haben so viel Erfahrung über deren Wirksamkeit sammeln können.

Nochmal, damit wir alle auf dem gleichen Stand sind: Lektine sind Proteine, die in vielen Pflanzen vorkommen und von einigen Menschen als potenziell problematisch angesehen werden, da sie in vielen Fällen Verdauungsbeschwerden oder Entzündungen verursachen können.

Die Idee hinter einer lektinfreien Ernährung besteht darin, Lebensmittel zu meiden, die reich an Lektinen sind, um mögliche negative Auswirkungen auf den Körper zu minimieren, oder die Lektine im Zubereitungsprozess so zu entfernen oder zu denaturieren, dass sie keine schadhafte Rolle mehr spielen. Hier sind einige Erkrankungen, bei denen eine lektinfreie Ernährung in Erwägung gezogen werden könnte:

Zöliakie und Glutenempfindlichkeit

Obwohl Lektine nicht direkt mit Gluten in Verbindung stehen, wird eine lektinfreie Ernährung oft von Menschen mit Zöliakie oder Glutenempfindlichkeit in Erwägung gezogen, um bestimmte Lebensmittel mit potenziell höherem Lektin-Gehalt zu meiden. Rund 70 % der Menschen mit Zöliakie, die sich glutenfrei ernähren, haben weiterhin erhöhte Entzündungsparameter im Darm, wenn sich sich maisbasiert ernähren - denn Mais hat ein starkes Lektin. Wir haben viele Patienten mit Zöliakie in eine lektinfreie Ernährung begleitet und dort dann einen vollständigen Rückgang der Entzündungsparameter gesehen.

Autoimmunerkrankungen

Wir glauben, dass Lektine autoimmune Reaktionen im Körper auslösen könnten. Daher wird diese Ernährungsform bei Menschen mit Autoimmunerkrankungen von uns oft in Betracht gezogen.

Ist es grundsätzlich so, dass bei allen Autoimmunkrankheiten eine lektinfreie Ernährung der richtige Weg ist? Tatsächlich besagen sowohl unsere Erfahrung als auch wissenschaftliche Daten, dass eine lektinfreie Ernährung u.a. bei Hashimoto, Psoriasis, Rheumatoider Arthritis, Lupus, dem Sjögren-Syndrom, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, Sclerodermie, Mischkollagenosen, Vitiligo und weiteren Autoimmunerkrankungen funktioniert

  • einerseits durch Absinken der spezifischen Antikörper (wie z. B. TPO, anti-CCP, ANA-Antikörper und ihren Subgruppen sowie Histonen)
  • weiterhin durch Absenken genereller Entzündungsparameter (wie hsCRP, TNF-alpha, Interleukin-6)
  • und andererseits auch durch Rückgang klinischer Symptome der jeweiligen Erkrankung.

Allerdings ist es von der »Art« der Autoimmunerkrankung abhängig, wie rasch welche Veränderungen eintreten. Dazu einige Beispiele:

  • Bei Hashimoto sehen wir sehr rasch einen Abfall von TAK-Antikörpern. Dies hat erst einmal aber wenig klinische Auswirkungen, da oft auch TPO-Antikörper bestehen, die langsamer abfallen. Erst nach dem vollständigen Abfall aller Antikörper, was üblicherweise Monate dauert, kann bewertet werden, ob Hashimoto-assoziierte Symptome (wie Denkstörungen, Stimmungschwankungen, ...) auch verschwunden sind, die durch eine Wirkung der TPO-Antikörper auf das Gehirn ausgelöst werden.

    Wenn alle Antikörper verschwunden sind, kann die Schilddrüse durchaus auch ihre Funktion wieder aufnehmen – vorausgesetzt, der Hashimoto besteht noch nicht deutlich mehr als 10 Jahre. Nach dieser Dauer ist die Schilddrüse nämlich in der Regel zerstört und eine lebenslange Einnahme von Schilddrüsenhormon kann erforderlich sein.

  • Bei Autoimmunerkrankungen, die sich schnell regenerierende Gewebe betreffen, wie Colitis Ulcerosa oder Psoriasis (Schuppenflechte) sehen wir sehr rasch Erfolge, weil sich Darmschleimhaut und Haut rasch bessern, wenn die Lektinwirkung entfällt. Hier konnten Patienten innerhalb von Wochen deutliche Besserung entweder spüren oder sehen.

    Ähnliches gilt für beispielsweise die Typ-A-Gastritis (Autoimmungastritis): Hier gehen mit einem Abfall der Parietalzellantikörper in der Regel auch die chronischen Magenbeschwerden weh, da sich die Magenschleimhaut rasch wieder aufbaut.

  • Bei Autoimmunerkrankugnen, die zu strukturellen Änderungen des Körpers führen, wie einem Morbus Bechterew, bei dem sich die Wirbelsäule verändert, oder Sklerodermie, bei der Bindegewebe versteift, ist vor allen Dingen der Stopp des Fortschreitens der Erkrankung der wichtigste Erfolg.

    Wenn wir Menschen mit Rheuma im Frühstadium auf eine lektinfreie Ernährung setzen, sehen wir oft nicht nur einen vollständigen Rückgang des Rheumafaktors im Blut, sondern auch wieder vollständige Mobilität und Schmerzfreiheit. Wenn aber schon über Jahre starke Verknöcherungen in den Gelenken bestehen, dann können wir zwar oft das Fortschreiten stoppen, und oft regeneriert sich auch Knorpel über die Zeit, was die Schmerzen deutlich zurückgehen lässt, aber in der Regel wird man den Händen die Krankheitsgeschichte weiterhin ansehen.

  • Bei Erkrankungen, in denen Gewebe sich langsam regeneriert, wie etwa die Myelinscheiden bei Multipler Sklerose oder dem Sehnengewebe einer Dupuytren-Kontraktur muss man lange Geduld haben, bis der Körper beginnt zu heilen, nachdem der Progress unter einer lektinfreien Ernährung möglicherweise gestoppt hat.

  • Bei Erkrankungen, bei denen Gewebe zerstört worden ist, wie bei einem Sjögren-Syndrom die Tränendrüsen oder einem Vitiligo die Hautfarbpigmente kann eine lektinfreie Ernährung, eingesetzt im Frühstadium, die Erkrankung »zurückdrehen«, sprich die Tränen- und Speicheldrüsen produzieren wieder, und die Haut nimmt wieder Farbe an. Wenn allerdings diese Erkrankungen schon lange laufen, dann ist das Gewebe in der Regel nicht mehr regenerationsfähig.

Gerade beim Sjögren-Synydrom besteht aber wie bei Psoriasis oder Rheuma ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wenn hier die spezifischen Antikörper sowie Entzündungswerte unter lekinfreier Ernährung im Blut abfallen, dann ist mit einer deutlichen Besserung der Prognose zu rechnen, auch wenn beispielsweise Tränendrüsen weiterhin nicht funktionieren oder Verknöcherungen bestehen bleiben.

Verdauungsprobleme

Viele unserer Patientinnen und Patienten berichten, dass eine lektinfreie Ernährung bei Verdauungsbeschwerden wie Reizdarmsyndrom (IBS) oder chronischen Magen-Darm-Beschwerden hilfreich sein kann.

Allergien und Sensitivitäten

Menschen mit Nahrungsmittelallergien oder -sensitivitäten können eine lektinfreie Ernährung ausprobieren, um mögliche Auslöser von Symptomen zu identifizieren.

Wenn wir Antikörper auf Nahrungsmittel (IgE- wie IgG-Antikörper) feststellen, dann gehen diese in der Regel unter einer Kombination aus einer lektinfreien Ernährung und Elemination der spezifischen Nahrungsmittel zurück.

Übergewicht

Eine typische »Nebenwirkung« einer lektinfreien Ernährung ist bei vielen Patientinnen und Patienten ein deutlicher Gewichtsverlust.

Die Beziehung zwischen einer lektinfreien Ernährung und Gewichtsreduktion ist umstritten. Einige Befürworter argumentieren, dass Lektine zu Entzündungen und Verdauungsproblemen führen könnten, die wiederum das Gewicht beeinflussen könnten. Jedoch hängen Gewichtsverlust oder -management von einer Vielzahl von Faktoren ab, darunter Kalorienaufnahme, körperliche Aktivität, Stoffwechselrate und genetische Veranlagung.

Da gerade aber Ehepartner unserer Patientinnen, die auf lektinfrei mit uns umstellen, über Gewichtsverlust berichten, obwohl sie sonst nichts in ihrem Leben geändert haben, ist eine Verbindung wahrscheinlich. Wir glauben, sie besteht immer dann, wenn chronische Entzündung der Treiber einer ungewollten Gewichtzunahme ist.

Limitationen

Wenn man die falsche Person auf eine lektinfreie Ernährung setzt, dann passiert in der Regel nicht viel. Die meisten Menschen fühlen sich ein wenig besser, auch weil die Ernährung nährstoffdichter ist, aber weil hier nichts Ursächliches angegangen wird, tut sich beim Gesundheitszustand wenig.

Setzt man aber die richtige Person auf lektinfrei, dann haben wir in der Praxis vielfach gesehen, wie es diesen Menschen gelingt, ihr Leben herumzudrehen, und nicht nur Energie und Lebensfreude zurückzugewinnen, sondern auch oft chronische Erkrankungen in Remission zu bringen. Freilich können wir keine Garantie für so eine Entwicklung übernehmen.

Kurzfazit Kurzfazit

Eine lektinfreie Ernährung kann sowohl auf Autoimmunerkrankungen als auch auf Magen-Darm-Erkrankungen wie das Reizdarmsyndrom oder Zöliakie deutlich positive Auswirkungen haben. In unserem lektinfrei-Gruppenprogramm helfen wir Betroffenen, die Ernährungsumstellung optimal umzusetzen.

Rückfragen und Beratung

Dr. Gersch

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Artikel auf meiner Website sind als Information für meine Patientinnen und Patienten gedacht. Sie können nicht meinen persönlichen oder den Rat eines anderen Arztes ersetzen. Bitte verwenden Sie die hier vorgehaltenen Informationen nicht für die selbstständige Diagnose oder Behandlung einer Erkrankung. Suchen Sie mich oder einen anderen Arzt auf, wenn Sie von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden betroffen sind, die in Zusammenhang mit einem der in diesem Artikel besprochenen Themen stehen. Besprechen Sie mögliche änderungen Ihres Lebensstils oder Ihrer Ernährung mit einem Arzt, bevor Sie diese umsetzen. Nahrungsergänzungsmittel können Interaktionen mit frei verkäuflichen wie verschreibungspflichtigen Medikamenten aufweisen. Wenn Sie Medikamente einnehmen, setzen Sie diese niemals selbstständig ab, verändern Sie nicht deren Dosis oder nehmen Sie keine weiteren Medikamente/Nahrungsergänzungsmittel ein, ohne zuvor Ihren Arzt zu konsultieren.

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